Einleitung
Cannabis – lange Zeit vor allem als Freizeitdroge bekannt – rückt zunehmend in den Fokus der Medizin. Weltweit erkennen immer mehr Länder das therapeutische Potenzial der Cannabispflanze an. In Deutschland ist medizinisches Cannabis seit März 2017 unter bestimmten Voraussetzungen legal verschreibungsfähig. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die medizinischen Einsatzmöglichkeiten von Cannabis, die Wirkstoffe, aktuelle Forschungsergebnisse, Risiken sowie rechtliche Rahmenbedingungen.
Wirkstoffe im medizinischen Cannabis
Die medizinische Wirkung von Cannabis basiert vor allem auf zwei Hauptwirkstoffen:
- THC (Tetrahydrocannabinol): psychoaktiv, schmerzlindernd, appetitanregend, muskelentspannend
- CBD (Cannabidiol): nicht psychoaktiv, entzündungshemmend, angstlösend, antikonvulsiv (krampflösend)
Diese Substanzen wirken auf das sogenannte Endocannabinoid-System des Körpers, das eine wichtige Rolle bei der Regulation von Schmerz, Appetit, Stimmung und Schlaf spielt.
Medizinische Anwendungsgebiete
Medizinisches Cannabis wird zur Behandlung verschiedener Erkrankungen eingesetzt, insbesondere dann, wenn herkömmliche Therapien nicht ausreichend wirksam sind oder starke Nebenwirkungen verursachen. Zu den häufigsten Indikationen gehören:
- Chronische Schmerzen, z. B. bei Nervenschmerzen oder rheumatischen Erkrankungen
- Multiple Sklerose (MS): zur Linderung von Muskelspastiken
- Chemotherapie-bedingte Übelkeit und Erbrechen
- Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust, z. B. bei Krebserkrankungen oder HIV/AIDS
- Epilepsie (vor allem bei Kindern, z. B. bei Dravet-Syndrom – meist mit CBD)
- Angststörungen und posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) – hier ist die Studienlage jedoch noch uneinheitlich
Studienlage und Wirksamkeit
Die wissenschaftliche Bewertung der Wirksamkeit von medizinischem Cannabis ist komplex. Viele Studien zeigen positive Effekte – insbesondere bei Schmerztherapie und Spastik –, allerdings sind Langzeitstudien oft noch begrenzt. Die Wirkung ist individuell sehr unterschiedlich, was die Behandlungsplanung erschwert.
Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin spricht sich für eine “verantwortungsvolle Integration” von Cannabis in die Schmerztherapie aus, sieht aber noch Forschungsbedarf.
Risiken und Nebenwirkungen
Wie jede medizinische Substanz hat auch Cannabis potenzielle Nebenwirkungen, vor allem bei hoher THC-Dosis:
- Müdigkeit, Schwindel
- Konzentrations- und Gedächtnisprobleme
- Abhängigkeit bei unsachgemäßem Gebrauch
Bei CBD sind die Nebenwirkungen deutlich milder und seltener.
Rechtliche Situation in Deutschland
Seit dem “Cannabis-Gesetz” von 2017 dürfen Ärzte in Deutschland medizinisches Cannabis verschreiben – unabhängig von der Indikation, sofern eine „begründete Aussicht auf eine positive Wirkung“ besteht und andere Therapien nicht ausreichend geholfen haben.
Die Kostenübernahme durch gesetzliche Krankenkassen ist grundsätzlich möglich, bedarf aber einer vorherigen Genehmigung. Verordnet werden können:
- Cannabisblüten
- Cannabisextrakte
- Fertigarzneimittel mit THC/CBD (z. B. Sativex, Canemes)
Der Freizeitkonsum wurde 2024 ebenfalls teillegalisiert, ist jedoch rechtlich strikt vom medizinischen Gebrauch getrennt zu betrachten.
Fazit
Cannabis ist kein Wundermittel, kann aber für viele Patienten eine wirksame Ergänzung oder Alternative zu herkömmlichen Therapien darstellen. Voraussetzung ist eine sorgfältige ärztliche Abwägung von Nutzen und Risiken sowie eine fundierte medizinische Begleitung. Die zunehmende Akzeptanz und wissenschaftliche Erforschung lässt darauf hoffen, dass medizinisches Cannabis in Zukunft noch gezielter und evidenzbasierter eingesetzt werden kann.
